Heute Eröffnung für „Bis zum bitteren Ende“ und „Zeitfenster“ in Dresden-Striesen
Striesen, 22. Oktober 2023. Der Ernemann-Bau in Dresden-Striesen, der einst die Kamerawerke von Ernemann, Zeiss Ikon und Pentacon beherbergte, ist nun 100 Jahre. Mit zwei Sonderausstellungen feiern die „Technischen Sammlungen Dresden“ (TSD), die heute in dem historischen Gebäude residieren, dieses Jubiläum. Ab heute sind in dem prägnanten Ensemble an der Ecke von Schandauer Straße und Junghansstraße einerseits „Bis zum bitteren Ende – Erinnerungen an Pentacon“ und „Zeitfenster – Spurensuche zur Industriegeschichte im Ernemannbau“ zu sehen. Das geht aus einer Mitteilung der TSD und der Stadt Dresden hervor.
„Industriegeschichte sichbar und erlebbar machen“
Die Kuratoren wollen mit den beiden Expositionen Borgen von der „Errichtung des imposanten Fabrikbaus der Dresdner Kameraindustrie in der frühen Weimarer Republik bis zum Ende seiner industriellen Nutzungsgeschichte im Zuge der deutschen Vereinigung 1990“ schlagen. „Übergreifendes Ziel ist es dabei, die Industriegeschichte des Ernemannbaus für heutige Besucherinnen der Technischen Sammlungen sichtbar und erlebbar zu machen und zu einer Auseinandersetzung mit Industriearchitektur, industrieller Arbeit und Unternehmens- beziehungsweise Betriebskultur und ihrem Wandel im 20. Jahrhundert einzuladen.“
Dabei widmet sich „Bis zum bitteren Ende“ vor allem dem DDR-Kapitel in der Baugeschichte: „Die Abwicklung des VEB Pentacon durch die Treuhand und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit gehört zu den negativen kollektiven Erfahrungen in Dresden und Ostdeutschland in der deutsch-deutschen Geschichte“, betonen Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) und die TSD-Kuratoren. „Die einst international erfolgreiche Dresdener Foto- und Kinoindustrie wurde zum ersten Opfer der wirtschaftlichen Wiedervereinigung. Am Vorabend der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 verkündete die Treuhand die Schließung des VEB Pentacon Dresden. Der erste Großbetrieb der DDR stand vor dem Aus. Für 6000 Mitarbeitende war die Einheitsfreude getrübt.“
Seit 2022 hatten das Hannah-Arendt-Institut Dresden und die TSD ehemaliger Pentacon-Mitarbeiter über ihre Erinnerungen ausgefragt. Die Ergebnisse sind nun in der Sonderausstellung zu sehen. Dazu gehört eine raumfüllenden Installation. Dort lassen die Filmemacher Theo Thiesmeier und der Szenograf Christian Göthner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Produktion, der Entwicklung und dem Vertrieb von Pentacon, frühere Arbeiterinnen und Vertragsarbeiter aus Vietnam, Ingenieurinnen und einen Physiker, eine Ökonomin und einen damaligen Häftling aus der Strafvollzugsanstalt in Cottbus zu Wort kommen. Die Zeitzeuginnen erinnern sich an den Betriebsalltag und die immer schwieriger werdenden Bedingungen für die Produktion von Hochtechnologie in den 1980er Jahren, aber auch die punktuell erfolgreiche Zusammenarbeit mit japanischen Unternehmen.
Die zweite Sonderausstellung „Zeitfenster“ setzt sich derweil stärker mit der Architektur und den Nutzungsepochen des Ernemann-Baus an 19 Stationen auseinander. erstmals seit drei Jahrzehnten wird. So zeigen besagte „Zeitfenster“ beispielsweise die einstigen Montagesäle, die Lehrlingsausbildung, Reklame für Ernemannkameras, einen Besuch des Königs von Afghanistan und die Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen während des Zweiten Weltkriegs. Erstmals ist nach einer Restaurierung auch das Pentacon-Relief des Dresdner Bildhauers Vinzenz Wanitschke wieder zu sehen. Das 1976 außen am Werks installierte „Idealbild eines Industriebetriebs in der DDR versammelt Darstellungen eines Fließbands und eines Labors, von betrieblichen Freizeitaktivitäten und sogar vom Einsatz einer Praktica-Kamera beim Weltraumflug von Sigmund Jähn“, heißt es in einer TSD-Beschreibung.
Vor 100 Jahren in krisenhaften Zeiten gebaut
Der Ernemannbau selbst entstand vor 100 Jahren als Erweiterung der Ernemann-Kamerawerke in Striesen. „Trotz Hyperinflation, Ruhrbesetzung, Materialknappheit und zunehmender Gewaltexzesse in der politischen Auseinandersetzung gelang es, den bereits vor mehr als einem Jahrzehnt von den Dresdner Architekten Emil Högg und Richard Müller im Stil der modernen Industriearchitektur geplanten Fabrikbau aus Stahlbeton und Glas mit einem markanten 48 Meter hohen Turmbau im Jahr 1923 fertig zu stellen“, heißt es weiter in der Mitteilung. Heute beherbergt der Komplex das Technikmuseum TSD.
Kurzinfo:
Die Sonderausstellungen sind bis 25.2.2024 in den TSD, Junghansstraße 1, jeweils dienstags bis freitags 9 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 10 bis 18 Uhr, zu sehen. Mehr Infos im Netz: tsd.de
Quelle: TSD
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