Prognose: Geberbach-Verwandlung kostet 80 Millionen

Steve Kobsch von der Planungsgesellschaft "Scholz + Lewis" und Projektleiterin Katja Schumann vom Umweltamt stehen auf dem Abschnitt der Salzburger Straße, den sie gerne rund 100 Meter nach Osten verlegen wollen - und zeigen, wie dort künftig der Geberbach langfließen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Steve Kobsch von der Planungsgesellschaft „Scholz + Lewis“ und Projektleiterin Katja Schumann vom Umweltamt stehen auf dem Abschnitt der Salzburger Straße, den sie gerne rund 100 Meter nach Osten verlegen wollen – und zeigen, wie dort künftig der Geberbach langfließen soll. Foto: Heiko Weckbrodt

Zurück zur Natur: Entstehen soll ein „Blaues Band“ der Naherholung von Dresden-Prohlis bis zur Elbe

Dobritz, 25. Oktober 2021. Das Projekt „Blaues Band“, das vor allem auf eine Renaturierung des Geberbachs auf Dresdner Flur zielt, wird schätzungsweise rund 80 Millionen Euro kosten. Darin eingeschlossen sind der Bach-Umbau und -Umverlegungen, neue Rad- und Fußwege am Ufer, aber auch Leitungsverlegungen und eine Teilverlegung der Salzburger Straße. Das hat Projektleiterin Katja Schumann vom Umweltamt nach ersten Vorplanungen geschätzt. Die genauen Kosten könne die Stadtverwaltung aber erst abschätzen, wenn die Bürger-Wünsche und das Stadtratsvotum klar seien. Ideengeber können demnächst ihre Vorschläge im Internet über die Adresse dresden.de/blauesband einreichen.

Puzzlestücke schieben sich erst nach Jahren zusammen

Die bisherige Grobplanung der städtischen Projektanten sieht viele Teilvorhaben vor, die sich über viele Jahre hinweg wie Mosaiksteine zu einem großen Bild zusammenschieben sollen. Mehrere wichtige Abschnitte will die Stadt ab 2028 umsetzen. Im Zuge des Projektes steht auch zur Debatte, Aliasnamen wie „Prohliser Landgraben“ zu einer durchgängigen Bezeichnung als „Geberbach“ von der Quelle bis zur Mündung zu vereinheitlichen.

Neben Rutsche und Kletterturm gibt es auf dem Spielplatz Altdobritz auch hölzerne Großmodelle von Schubkarre, Egge und anderen bäuerlichen Arbeitsgeräten. Foto: Heiko Weckbrodt

Neben Rutsche und Kletterturm gibt es auf dem Spielplatz Altdobritz auch hölzerne Großmodelle von Schubkarre, Egge und anderen bäuerlichen Arbeitsgeräten. Foto: Heiko Weckbrodt

Bisher zwei Spielplätze fürs „Blaue Band“ gebaut

Bereits realisiert sind bisher erst zwei Mosaiksteine: die beiden neuen Spielplätze in Altdobritz und an der Tauernstraße in Laubegast. Auch in Prohlis gab es bereits einige Umgestaltungen.

An der Kreuzung von Mügelner Straße und dem Seidnitzer Weg, an Grenze zwischen Dresden-Prohlis und Reick, verschwindet der Geberbach in Rohren unter der Erde. Nahe den Kiesgruben in Leuben taucht er wieder auf und mündet in den Niedersdlitzer Flutgraben. Stadtplaner wiollen den Bach - der hier auch Prohliser Landgraben heißt - wieder an die Oberfläche verlegen. Foto: Heiko Weckbrodt

An der Kreuzung von Mügelner Straße und dem Seidnitzer Weg, an Grenze zwischen Dresden-Prohlis und Reick, verschwindet der Geberbach in Rohren unter der Erde. Foto: Heiko Weckbrodt

Wenn es nach den Projektanten geht, verschwindet der Geberbach künftig nicht mehr an der Mügelner Straße in unterirdischen Rohren, sondern plätzschert oberirdisch weiter am Seidnitzer Weg entlang durchs Gewerbegebiet Reick gen Bahndamm. Visualisierung: Umweltamt LHD

Wenn es nach den Projektanten geht, verschwindet der Geberbach künftig nicht mehr an der Mügelner Straße in unterirdischen Rohren, sondern plätzschert oberirdisch weiter am Seidnitzer Weg entlang durchs Gewerbegebiet Reick gen Bahndamm. Visualisierung: Umweltamt LHD

Planer wollen verrohrten Bach offen- und umverlegen

Einschneidend sind die geplanten Änderungen vor allem ab der Mügelner Straße in Reick: Statt des bisherigen Ost-Knicks in unterirdischen Rohren fließt der Geberbach demnach in Zukunft oberirdisch neben dem Seidnitzer Weg und durch das Gewerbegebiet Reick, um dann in einem gläsernen Bett den Bahndamm zu unterqueren. Wie genau das gläserne Bett aussieht – ob am Boden zum Drüberlaufen, seitlich wie ein Fenster, mit Bullaugen zum Durchschauen oder gar mit „Augmented Reality“-Funktionen für Fischbeobachtungen per Smartphone – steht noch nicht fest. Vorschläge dafür sammeln die Planer nun über die Online-Bürgerbeteiligung.

An der Bahnunterführung in Dobritz wollen die Planer den Geberbach hinter Glas fließen lassen. Visualisierung: Stadtplanungsamt LHW Dresden

An der Bahnunterführung in Dobritz wollen die Planer den Geberbach hinter Glas fließen lassen. Visualisierung: Stadtplanungsamt LHW Dresden

Neues Bett führt durch wilden Rennbahn-Wald

Hinter dem Bahndamm bekommt der Geberbach laut derzeitigem Planungsstand ein neues Bett durch den wilden Wald hinter der Rennbahn, mit Fuß- und Radweg am Ufer. Dieser Wald soll naturnah und unbewirtschaftet bleiben und einen eher kühlen und dunklen Abschnitt des „Blauen Bandes“ bilden.

Die Planer wollen den Geberbach in den wilden Wald hinter der Rennbahn Dobritz umleiten und mit einem Fahrrad- und Fußweg umsäumen. Visualisierung: Rehwaldtlandschaftsarchitekten

Die Planer wollen den Geberbach in den wilden Wald hinter der Rennbahn Dobritz umleiten und mit einem Fahrrad- und Fußweg umsäumen. Visualisierung: Rehwaldtlandschaftsarchitekten

Von dort fließt der Bach dann weiter durch Altdobritz. Dort hatte die Stadt bereits vor einem Jahr den Dorfspielplatz stark aufgewertet. Als nächstes wollen die Stadtplaner dort 2021/22 die schmale Altdobritzer Parkanlage umgestalten. Im Anschluss unterquert der Geberbach künftig in einem hochwassertauglichen Trog die Pirnaer Landstraße in Richtung Alter Elbarm.

Wo jetzt die Salzburger Straße in die Pirnaer Landstraße mündet, soll künftig der Geberbach fließen, gleich daneben ein Radweg. Visualisierung: Rehwaldtlandschaftsarchitekten via LHD

Wo jetzt die Salzburger Straße in die Pirnaer Landstraße mündet, soll künftig der Geberbach fließen, gleich daneben ein Radweg. Visualisierung: Rehwaldtlandschaftsarchitekten via LHD

Salzburger Straße wird verlegt

Um eine direkte Verbindung für Wasser, Radler und Spaziergänger herzustellen, wird einiger Aufwand nötig sein: Die Projektanten wollen dafür die Einmündung der Salzburger Straße in die Pirnaer Landstraße um etwa 100 Meter in Richtung Kiesgrube nach Osten verlegen. Damit wollen sie drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Platz für ein oberirdisches Bachbett samt Rad- und Fußweg schaffen, einen alten Unfallschwerpunkt auf der bisher unübersichtlich verschwenkten Kreuzung entschärfen und den Umstieg an der Straßenbahn-Haltestelle „Lasallestraße“ vereinfachen.

Auch die Belange der Wasservögel möchten bei einem Kompromiss für die Kiesgruben in Leuben bedacht sein. Archivfoto: Heiko Weckbrdt

Auch die Belange der Wasservögel möchten bei einem Kompromiss für die Kiesgruben in Leuben bedacht sein. Archivfoto: Heiko Weckbrdt

Stadt will legale Badestelle an der Südkiesgrube in Leuben

Auch die Leubener Kiesgruben sind Teil des Großprojektes „Blaues Band“: Der Plan ist, dass sich Stadt und Grundstückserben auf eine legale Badestelle am Ostufer der südlichen Kiesgrube einigen, außerdem bessere Wege um die Seen herum sowie ein Aussichtspunkt auf dem „Mont Klamott“ von Dresden entsteht.

Visualisierung der Fischtreppe und des neuen Geberbaches im Altelbarm Abb.: Grit Koalick, Schokofabrik, via LHD

Visualisierung der Fischtreppe und des neuen Geberbaches im Altelbarm Abb.: Grit Koalick, Schokofabrik, via LHD

Entlang der bisherigen Pistenführung der Salzburger Straße könnte der Geberbach künftig direkt in den Alten Elbarm führen und von dort weiter in die Elbe. Eine schwebende Radfahrerbrücke soll von dort aus hin zum Spielplatz an der Toeplerstraße und in Richtung der künftigen Fahrradschnellstraße Ost zu führen. Einige Teile davon sind bereits realisiert.

Diese neue Radwegebrücke könnte in Zukunft über dem Altelbarm schweben. © Ingenieurgesellschaft Bonk + Herrmann mbH

Diese neue Radwegebrücke könnte in Zukunft über dem Altelbarm schweben. © Ingenieurgesellschaft Bonk + Herrmann mbH

„Blaues Band“ soll viele Probleme im Südosten entschärfen

„Mit dem Blauen Band lösen wir mehrere infrastrukturelle Probleme im Dresdner Südosten“, betonte Projektleiterin Schumann. Denn bisher ist der Geberbach über weite Strecken zwischen Prohlis und Elbmündung in unterirdische Rohre gezwängt, was weder ökologisch oder flutsicher noch stadtplanerisch gewünscht ist. Umweltschützer und Stadtplaner wollen dieses Gewässer daher wieder freilegen – und zwar so, dass er für Anwohner, Wanderer und Radler als naturnaher Bach erlebbar wird und zumindest etwas zu einem besseren Stadtklima beiträgt. „In diesem Zuge entschärfen wir Umfallschwerpunkte, legen neue, durchgängige Fuß- und Radwege an“, zählt die Projektleiterin auf.

Zu sehen ist auf diesem Entwurf das künftige Bett des Geberbachs und der Raum, den das

Zu sehen ist auf diesem Entwurf das künftige Bett des Geberbachs und der Raum, den das „Blaue Band“ von Stadtgrenze bis zur Elbe einnehmen soll. Karte: Rehwaldt Landschaftsarchitekten

Mehr Hochwasserschutz erhofft

Nicht zuletzt diene das Blaue Band auch dem Hochwasserschutz: Gerade im Sommer ist der Geberbach oft nur noch ein Rinnsal. Doch wenn es südlich und östlich von Dresden ordentlich gießt, dann können sich Geberbach, Niedersedlitzer Flutgraben, Gruner Landgraben und andere Stadtbäche schon mal in reißende Ströme verwandeln. Abführen wollen die Planer diese Fluten in Zukunft einerseits durch Flutleitungen in den alten Bach-Rohren, andererseits aber eben auch durch ein neues, oberirdisches Bachbett voller Windungen mit vielen Bäumen sowie flachen, naturnahen und begrünten Böschungen, an denen Kinder spielen und hitzegeplagte Großstädter in heißen Sommern abkühlen können. All dies soll sich eben wie ein „Blaues Band“ von Prohlis bis hinunter zum alten Elbarm wie ein langes Naherholungsgebiet durch den ganzen Dresdner Südosten ziehen – der geplante neue Verlauf ist hier als Entwurf zu finden.

TU- und Leibniz-Forscher wollen Mikroeffekte für Stadtklima messen

Schon in früheren Studien hatten Meteorologinnen der TU Dresden gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden und Erfurter Forschern herausgearbeitet, dass jeder zusätzliche Baum in einer Großstadt messbare Abkühlungseffekte auf das urbane Klima haben kann. Insbesondere zusammenhängende grüne Inseln wirken demnach dämpfend auf manche Effekte des Klimawandels, insbesondere auf urbane Hitzespitzen. „Wir arbeiten mit dem IÖR sowie der TU Dresden zusammen, um langfristig zu ermittelt, was das Grüne Band in dieser Hinsicht wirklich bringt“, verspricht Katja Schumann. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben längst mit Temperatur-Messungen entlang des geplanten neuen Bachverlaufs begonnen. Diese Messkampagnen setzen sie in den nächsten Jahren dort.

Stadt will mindestens 53 Millionen Euro aus Fördertöpfen einwerben

Ein langer Atem wird dabei unerlässlich sein: Bürgerbeteiligung, Feinplanung und Realisierung werden Jahre dauern, auch können die Akteure nicht mal eben 80 Millionen Euro nebenbei aus dem Stadthaushalt herausschwitzen. Allerdings rechnen Stadtplanungsamt und Umweltamt auch mit Zuschüssen aus mehreren Fördertöpfen: Bis zu zwei Drittel der Summe – also etwa 53 Millionen Euro – wollen sie bis 2027 aus Bund-Länder-Programmen wie „Zukunft Stadtgrüne“ und „Lebendige Zentren“ beantragen. Weitere Zuschüsse könnten aus Radweg-Fördertöpfen und anderen Programmen fließen.

Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne, l.) und Ines Pochert vom Grünflächenamt Dresden im Jahr 2020 auf dem damals gerade völlig umgestaltetenSpielplatz Altdobritz. Foto: Heiko Weckbrodt

Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne, l.) und Ines Pochert vom Grünflächenamt Dresden auf dem Spielplatz Altdobritz. Foto: Heiko Weckbrodt

Umweltbürgermeisterin: Blaues Band zu knüpfen wird Jahre dauern

Anfang 2022 will Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Bündnisgrüne) alle Lösungs-Varianten für das „Blaue Band“ öffentlich präsentieren. Bis Ende 2022 soll dann der Stadtrat über eine Vorzugsvariante entscheiden. „Die Umsetzung wird langfristig sein“, betonte Jähnigen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Präsentation Salzburger Straße, Umweltamt, Stadtplanungsamt, LHD, Büro „Scholz + Lewis“, Oiger-Archiv

Grafik: M. Arndt
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