Lingnerschloss-Helfer nach „Heimfall“-Wendung „enttäuscht und erschüttert“

Ehrenamtlern haben das Lingnerschloss in Dresden in den vergangenen 10 Jahren zu 90 % saniert. Jetzt droht dem Verein die Pleite. Foto: Heiko Weckbrodt

Ehrenamtlern haben das Lingnerschloss in Dresden in den vergangenen 10 Jahren zu 90 % saniert. Jetzt droht dem Verein die Pleite. Foto: Heiko Weckbrodt

Verein fordert in offenen Brief an Stadtrat Dresden eine Rückkehr zum ausgehandelten Schulden-Deal

Loschwitz, 23. November 2023. In einem offenen Brief an den Dresdner Stadtrat hat der „Förderverein Lingnerschloss“ an die Fraktionen im Rathaus appelliert, den Verein zu retten und damit zu früher vereinbarten Lösungen zurückzugehen. Das haben Vereinssprecherin Ines Eschler und ihre Mitstreiter heute im Lingnerschloss mitgeteilt.

Ehrenamtler: Ohne uns wäre Schloss immer „in einem desaströsen Zustand“

Die ehrenamtlichen Helfer, die das Schloss über zehn Jahre hinweg gerettet, saniert und reanimiert haben, seien „enttäuscht und erschüttert“, wie die Stadt mit ihnen umgehe, hieß es aus den Reihen des Vereins. Konkret gemeint ist damit: Ohne diese Arbeit „wäre das Schloss weiterhin in einem desaströsen Zustand“, heißt es in dem Brief. „Wir appellieren deshalb an die Stadtoberen,, überdenken sie ihre aktuelle Entscheidung und kehren Sie zurück zu den mit dem Förderverein und den Gläubigern ausgehandelten Vereinbarungen.“

Verein ging kurz vor Ziellinie die Puste aus

Hintergrund: Der Verein hatte unter der Führung des Unternehmers Peter Lenk das seit der Wende verfallene Lingnerschloss 2003 vom Eigentümer – der Stadt – in Erbbaupacht für 26.800 Euro Pacht pro Jahr übernommen und dafür versprochen, den Komplex zu sanieren und für die Dresdner zugänglich zu machen, wie im Testament des Industriellen Karl August Lingner seinerzeit verfügt. Nachdem 90 Prozent der Sanierung und Rekonstruktion geschafft waren, gingen dem Verein aber die Spendengelder aus. Unter anderem konnte er nicht mehr das Foyer und den Festsaal im Parterre sanieren. Auch konnte er einen Bankkredit sowie die Pachtzinsen nicht mehr zahlen.

Über 1,2 Millionen Euro Außenstände angehäuft

Mit der Rathaus-Spitze war daraufhin laut Vereins-Angaben vereinbart, dass der Verein das Erbbaurecht an die Kommune zurückgibt. Im Gegenzug habe die Stadt zugesagt, dem Verein bis zu 700.000 Euro zu geben, damit der einen Teil seiner derzeit über 1,2 Millionen Euro Schulden bezahlen kann. Damit sollte vorrangig der 930.000 Euro umfassende Baukredit an die Hausbank bedient werden. Insgesamt sollten die Gläubiger demnach auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten und den Rest über zehn Jahre stunden. Dieser Lösung hätten Verein, Stadt, Bank und weitere Gläubiger bereits zugestimmt gehabt, berichtet Ines Eschler.

Anwälte prüfen Insolvenz-Verfahren

Nun habe die Stadt jedoch die „Heimfall“-Karte gezogen, den Deal platzen lassen und auch alle ausstehenden Pachtbeträge für sofort fällig erklärt, so Eschler. Daher stehe der Verein vor der Pleite. Die Insolvenz-Anmeldung werde derzeit noch rechtlich durch ein Anwaltsbüro geprüft. Dabei geht der Verein davon aus, dass durchaus Masse für ein Insolvenzverfahren da sei, betonte die Vereinssprecherin auf Oiger-Anfrage: Einerseits schulde die Gastronomiegesellschaft im Schloss dem Verein noch rund 200.000 Euro für nicht gezahlte Miete und Betriebskosten-Zahlungen – wobei diese Zahlungen umstritten sind. Außerdem habe das, was der Verein über die Jahre ins Schloss investiert habe, einen Buchwert von rund acht Millionen Euro. Dies wäre demnach etwa die Hälfte der insgesamt 17,5 Millionen Euro, die der Verein seit 2003 an Spenden und anderen Geldern für Schlosssanierung und -betrieb eingenommen hatte. Ob diese Buchwert allerdings in irgendeiner Form wirtschaftlich verwertbar ist, bleibt offen.

Ebenso ist noch unklar, wie die Hausbank und wie ein noch möglicherweise vom Amtsgericht einzusetzender Insolvenzverwalter auf die „Heimfall“-Variante der Stadt reagieren. Immerhin könnten dadurch die Gläubiger völlig leer ausgehen.

„Grobe Missachtung unseres langjährigen ehrenamtlichen Engagements“

Die Ehrenamtlichen wiederum heben vor allem den moralischen Schaden durch die jüngsten Entscheidungen von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hervor: Pro Jahr hätten diese Helfer 15.000 bis 20.000 Stunden freiwillige Arbeit in das Schloss gesteckt und jetzt werde diese ganze Dekade bürgerschaftlichen Engagements mit einem Zweizeiler abgetan, kritisierte Detlev Puchta vom Förderverein. Von daher sei es kein Wunder, dass sich die Ehrenamtlichen regelrecht vor den Kopf gestoßen fühlen. „Wir empfinden diesen Schritt als grobe Missachtung unseres langjährigen ehrenamtlichen Engagements“, heißt es auch im offenen Brief an die Stadtrats-Fraktionen.

Verein will neu starten

Was diese Helfer nun konkret von der Stadt wollen, ist eine Rückkehr zu der früher ausgehandelten Vereinbarung. Dann könne der Verein den Veranstaltungsbetrieb fortsetzen, auch selbst – nach unschönen internen Streitereien – mit einem aufgefrischten Vorstand einen Neustart unternehmen, die Spendenakquise fortsetzen und dafür sorgen, dass das Schloss für die Dresdner und deren Gäste offen bleibe. Abgeben würde der Verein allerdings zusammen mit dem Erbbaurecht auch die wirtschaftlichen Aktivitäten im Schloss.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Förderverein Lingnerschloss, Vor-Ort-Termin, Oiger-Archiv

Grafik: M. Arndt
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