Weil Lang-Busse die Radler vom neuen Radweg fegen können, wird der Platz noch mal ummarkiert – zu Lasten der Stadtkasse und der Autofahrer
Striesen/Johannstadt, 1. Dezember 2022. Nach achtmonatigen Bauarbeiten am Fetscherplatz in Dresden stellt sich nun heraus, dass die neue Verkehrsführung mit neuer Fahrradspur gen Innenstadt eine Fehlplanung mit erheblichen Unfallrisiken war. Deshalb haben die Dresdner Verkehrsbetriebe nun provisorisch die Buslinie 64 umgeleitet. Im nächsten Schritt verwandelt sich der Festscherplatz im Frühjahr 2023 erneut in eine Baustelle, um die Fahrbahnen noch mal umzumarkieren. Und weil Baubürgermeister Stephan Kühn (Bündnisgrüne) auch nicht auf seinen neuen Radstreifen verzichten will, fällt dann doch eine Fahrspur für Autos, Busse und Kräder gen Innenstadt weg. Entsprechende Twitter-Kurzankündigungen des Bürgermeisters hat das kommunale Straßen- und Tiefbauamt (STA) nun auf Oiger-Anfrage bestätigt.
Bürgermeister Kühn wollte durch 675.000 Euro teuren Umbau den Fetscherplatz radfahrfreundlicher machen
Die Vorgeschichte: Die Stadt hatte den Fetscherplatz an der Nahtstelle zwischen Johannstadt und Striesen für 675.000 Euro ab April 2022 umbauen lassen, um ihn fahrrad-freundlicher zu machen. Konkret sollten die Arbeiter neue Radwege aufmalen, die eine Lücke zwischen Borsberg- und Striesener Straße zu schließen. Bei der Gelegenheit wurden auch Ampeln und Rohrstrecken erneuert, ein Blindenleitsystem installiert und Laternen erneuert. Und: Durch den Umbau wollten die DVB den Fetscherplatz auch gleich für überlange Gelenkbusse („Capacity-Fahrzeuge“) ertüchtigen, die mehr Fahrgäste transportieren können.
„Gefährdung des parallel fahrenden Radverkehrs“
Als die Bauarbeiter allerdings die Sperren und Baken vor wenigen Tagen wegräumten, stellt sich bald heraus, dass irgendetwas nicht stimmte: Die neuen langen Busse überstreiften mit ihrem „Hintern“ immer wieder den neuen Fahrradweg, den die Arbeiter auf Geheiß der Planer stadtwärts zwischen die Geradeaus- und Rechtsabbieger-Spur auf den Asphalt gemalt hatten. „Im Rahmen des erstmaligen Einsatzes der Capacity-Fahrzeuge am genannten Knotenpunkt stellte sich weiterhin heraus, dass je nach individueller Fahrweise stark abweichende Parameter bezüglich der Fahrkurve auftraten, welche unter Umständen zu einer Gefährdung des parallel fahrenden Radverkehrs durch diese Fahrzeugart geführt hätten“, teilte STA-Leiterin Simone Prüfer auf Anfrage mit. Übersetzt heißt das soviel wie: Wenn die Bus-Fahrer beim Abbiegen nicht ganz genau aufpassten, würde irgendein Langbus eher oder später Radfahrer im toten Winkel ummähen.
DVB müssen Busse nun erst mal wieder umleiten
Diese Erkenntnis war wohl auch der Grund, warum die Warnbaken auf dem neuen stadtwärtigen Radstreifen viel länger stehenblieben (Der Striesen-Oiger berichtete) als die anderen Baustellensperren. Angesichts der erheblichen Unfallgefahren haben die DVB inzwischen die Notbremse gezogen: Seit Montag lotsen die Verkehrsbetriebe ihre Buslinie 64 wieder über die Baustellen-Umleitung um den Fetscherplatz herum, also über die Krenkelstraße und Holbeinstraße bis zur Fetscherstraße.
Bürgermeister streicht per Twitter eine Fahrspur
„Parallel wird untersucht, inwieweit durch verkehrsorganisatorische Maßnahmen die Belange des Bus- und Radverkehrs hinsichtlich der genannten Punkte in Einklang gebracht werden können“, betonte Prüfer.
Wie diese Prüfung wohl ausgehen wird, hat Baubürgermeister Kühn schon mal auf Twitter verkündet: „Im Frühjahr wird dann ummarkiert, aus zwei Fahrspuren stadtauswärts muss dann eine überbreite Fahrspur werden.“ Rückstaus sind damit programmiert, denn schon seit Jahren stauen sich auf der rechten Spur im Berufsverkehr regelmäßig Fahrzeuge zurück, wenn dort Busse oder Autos rechts in Richtung Uniklinik abbiegen und auf querende Fußgänger warten. Dies dürfte den Verkehr auf der lange Achse Wehlener, Schandauer, Borsberg-, Striesener und Pillnitzer Straße gen Innenstadt, auf der bereits seit dem letzten Umbau rote Wellen für Autos und Radler dominieren, weiter ausbremsen.
Planer offensichtlich überfordert
Zudem stellt sich die Frage, wie sich die Verantwortlichen im Rathaus derart verplanen konnten und es ihnen nicht gelang, die Ausscher-Breiten der Langbusse und die neuen Radspuren richtig zu berechnen. „Für den Knotenpunkt ergaben sich am nordöstlichen Quadranten (Ecke vor dem Artushof) einige Besonderheiten: Die hohe Anzahl an Versorgungsleitungen, deren Dichte und Lage im unterirdischen Bauraum sowie eine komplexe Messeinrichtung der SachsenEnergie AG mussten bei der Ausführung berücksichtigt werden“, schiebt das Straßen- und Tiefbauamt die Verantwortung für das Debakel auf die unübersichtliche Lage vor Ort: „Dadurch ergaben sich Abweichungen bei der Gestaltung der Verkehrsanlage gegenüber der Planung.“
Wieviel der neuerliche Umbau kosten und wie lange er dauern wird, konnte die Stadtverwaltung auf Anfrage noch nicht mitteilen.
Oiger-Kommentar:
Ein ausgewogener Ausgleich der Interessen von Auto- und Radfahrern sieht anders aus. Eine optimale Lösung ist an dieser Stelle schwierig zu finden. Aber womöglich ist es unterm Strich besser, den neuen Radweg doch rechts von den Autospuren anzuordnen und lieber noch einen Sicherheits-Spiegel aufzustellen, der verhindert, dass Brummi- und Busfahrer Fahrradfahrer in ihrem toten Winkel übersehen. Eine Alternative wäre eine Ampelregelung, die zuerst Fußgänger und Radler Grün gibt und erst danach das Rechtsabbiegen erlaubt.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Recherche, Kühn-Tweets, Antworten LHD
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Die Planer waren vielleicht nicht überfordert (kennen wir den Plan?), eher die ausführende Stelle (siehe zuständiger Absatz). Die Ecke hätte wesentlich runder, mit größerem Radius realisiert werden müssen, um dem Bus das ausholen zu ersparen bzw. eng abbiegen zu ermöglichen. Was aber aufgrund vorgefundener Baulichkeiten anders passiert ist …
Die vermeintliche Korrektur/Änderung die der Baubürgermeister „getwittert“ hat, betrifft m.M.n. nicht die gegenwärtig geänderten Spuren, sondern die anliegende Gegenrichtung, wo noch 2 Spuren plus Radweg, quasi unnötig vorhanden sind, da vorher und hinterher alles einspurig ist … (Richtung Borsbergstraße)