Technikmuseum Dresden testet im Garten Pflanzenkohle als CO2-Speicher

Mit Pflanzenkohle, im Englischen auch "biochar" genannt, experimentieren weltweit Landwirte, Gärtner und Ingenieure. Foto: Oregon Department of Forestry

Mit Pflanzenkohle, im Englischen auch „biochar“ genannt, experimentieren weltweit Landwirte, Gärtner und Ingenieure. Foto: Oregon Department of Forestry

Gemeinsames Experiment mit Kleingartensparte „Flora I“ und TU Dresden geplant

Striesen, 9. Februar 2022. Auf dem Weg zu einem Museum neuen Typs, das sich neuen Technologien und seiner Nachbarschaft gleichermaßen öffnet, planen die Technischen Sammlungen Dresden (TSD) neue Praxisprojekte gemeinsam mit den Kleingärtnern der Striesener Sparte „Flora I“. Konkret wollen die Partner in den Gärten austesten, wieviel Kohlendioxid „Pflanzenkohle“ speichern und damit zum Umweltschutz beitragen kann – und wie sich diese Kohle auf die Fruchtbarkeit der Böden auswirkt. Das hat TSD-Direktor Roland Schwarz angekündigt. „Wir werden das gemeinsam der TU Dresden und den Kleingärtnern erproben“, kündigte er an.

Roland Schwarz ist Direktor der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Roland Schwarz ist Direktor der Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Schaugarten wird zum Mittelpunkt des Kohlenstoff-Kreislauf

„Der Schaugarten wird zum Mittelpunkt des Kohlenstoff-Kreislaufs, in dem Gartenabfälle verkohlt, mit gemahlener Pflanzenkohle der Kompost angereichert und schließlich der Boden verbessert wird“, teilen die TSD mit. „Öffentliche Veranstaltungen zur Technologie der Pyrolyse, zur Geschichte der ,terra preta‘ im Amazonasbecken und zum Potential der Pflanzenkohle für den Klimaschutz machen den Schwarzen Garten zu einem Ort der Begegnung von Gärtnerei und aktueller Forschung.“

„Dahinter verbirgt sich altes Wissen“, ergänzte Direktor Schwarz. Er verwies auf Funde im Amazon-Gebiet. Diese belegen, dass dort schon vor Jahrhunderten die Bodenfruchtbarkeit mit Pflanzenkohle erhöht worden ist. „Diese Technik hat sich zwar dann nicht breit durchgesetzt, ist aber vor einigen Jahren unter dem Aspekt wiederentdeckt worden, dass dieses Material auch CO2 speichert.“ All dies werde das Museum gemeinsam mit Forschern und Gärtnern in der „Flora I“ neu austesten.

Per Pyrolyse Kohle aus Grünschnitt gewinnen

Denn Pflanzenkohle lässt sich per Pyrolyse zum Beispiel aus Pflanzenschnittresten gewinnen, die in Kleingärten saisonal ohnehin in Massen anfallen. Pyrolyse bedeutet hier, die Grünabfälle nicht zu verbrennen, sondern die organischen Moleküle bei Temperaturen oberhalb von 350 Grad und knapp unterhalb des Brennpunktes unter teilweisem Luftabschluss langsam zu möglichst reinem Kohlenstoff zu zersetzen. Die TSD, das TU-Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft und Flora I wollen nun in Dresden-Striesen ausprobieren, ob und wie sich eine möglichst umweltfreundliche Pyrolyse – sei sie nun durch Gas oder andere Energiezufuhr am laufen gehalten – dezentral realisieren lässt. Zu klären ist dabei auch, auf welche finanzielle und ökologische Gesamtbilanz solch eine dezentrale CO2-Bindung im Kleingarten kommen würde.

Gärtner liefern Grünabfälle und bekommen Komposterde aus dem „Schwarzen Garten“

Als Anschub-Finanzierung stehen 15.000 Euro aus dem „Eku-Zukunftspreis“ des sächsischen Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums zur Verfügung, berichtet Schwarz. Das Geld wollen die Partner verwenden, um einen der „Kontiki“ genannten Pyrolyse-Öfen sowie eine Kompstieranlage zu kaufen und einen Garten in der „Flora I“ in einen „Schwarzen Garten“ zumzuwandeln. „Die Kleingärtner könnendort dann ihre Grünabfälle abliefern“, skizziert der Museumsdirektor das Konzept. Im schwarzen Garten wird der Kontiki dann in jeweils über Nacht die Pflanzenreste in Pflanzenkohle verwandeln. Die wird dann als zehnprozentige Beimischung den anderen Kompost-„Zutaten“ beigemischt, um die entstehende Erde fruchtbar zu machen. „Am Ende können sich die Kleingärtner dann für ihren Grünabfall Kompost abholen“, so Schwarz. Begleitend soll es öffentliche Diskussionsrunden mit Experten in der Gartenanlage geben. Starten soll das Projekt im Mai 2022.

Für Holzkohle ist Verfahren altbekannt

Als Holzkohle ist eine Art von Pflanzenkohle schon seit Jahrtausenden bekannt. Doch erst in jüngster Zeit hat man erkannt, welches Potenzial vielerorts dezentral erzeugte Pflanzenkohle als CO2-Speicher haben kann. Denn de facto bindet man – wenn man die Pflanzenkohle dann im Boden vergräbt, als Zeichen- oder Filtermaterial nutzt – langfristig das CO2, das die pyrolisierten Pflanzen zuvor aus der Atmosphäre gebunden haben. Normalerweise entweicht dieses Kohlendioxid nämlich wieder in die Atmosphäre, wenn Menschen die Pflanzenreste verbrennen oder verrotten lassen. Dagegen dauert es Schätzungen zufolge etwa 1000 Jahre, bis Pflanzenkohle natürlich abgebaut ist.

1 Tonne Kohle aus 2 Tonnen Grünabfall

Das eigentlich altbekannte Verfahren der pflanzlichen Pyrolyse hat inzwischen auch einen schicken neuen Namen bekommen: „Pyrogene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung“, englisch als PyCCS abgekürzt. Die Kosten für die CO2-Speicherung auf diesem Weg hatten Experten zuletzt auf 130 bis 145 Euro pro Tonne geschätzt, was angesichts der steigenden CO2-Bepreisung immer mehr lohnen dürfte. Laut dem Bauphysiker Hans-Peter Leimer lässt sich mit heutigen Pyrolyse-Anlagen „aus je zwei Tonnen Grünschnitt rund eine Tonne CO2 dauerhaft der Atmosphäre entziehen“. Klassische Pflanzenpyrolyse wie etwa im Holzkohle-Meiler ist allerdings langwierig, energieaufwendig und kann auch ziemlich übel riechen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: TSD, PK Städtische Museen Dresden, H. P. Leimer: „Einsatz von Pflanzenkohle zur Senkung des CO2-Gehalts der Atmosphäre“, Wikipedia

Zum Weiterlesen:

Risografie in der Flora I

Grafik: M. Arndt
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