Nein, die Nesselhose brennt nicht: Künstler zeigt Brennessel-Schau in Striesen

Patrick Will zeigt am Ausstellungs-Pavillon der "Flora I" eine Faser-Brennessel, die sich für Textilgarne eignet. Foto: Heiko Weckbrodt

Patrick Will zeigt am Ausstellungs-Pavillon der „Flora I“ eine Faser-Brennessel. Rechts im Hintergrund ist eine Unterhose zu sehen, die er daraus geklöppelt hat. Foto: Heiko Weckbrodt

Gemeinsam mit Biobauern in Sachsen arbeitet Patrick Will auf

Striesen/Frankenberg, 24. April 2024. Vielen gilt die Brennessel als schmerzendes Unkraut, das im besten Falle in Nachkriegszeiten als Arme-Leute-Suppe dienen mag, aber eigentlich ausgemerzt gehört. Ganz anders sieht dies Patrick Will: „In Wildpflanzen steckt beeindruckendes Potenzial“, sagt der aus Brandenburg stammende Künstler. Diese schlummernden Möglichkeiten zu erschließen, lohne unbedingt, „wenn wir achtsam mit unserer Umwelt umgehen wollen.“ Einer dieser Potenzialpflanzen – eben der Faser-Brennessel – widmet er nun zusammen mit den Städtischen Museen Dresden der unterschätzten Nesselplanze eine Sonderausstellung „Urtica D.“ in der Striesener Kleingarten-Anlage „Flora I“.

Die klassische Brennessel kennt wohl jedes Kind in Mitteleuropa. Foto: Heiko Weckbrodt

Die klassische Brennessel kennt wohl jedes Kind in Mitteleuropa. Foto: Heiko Weckbrodt

Skepsis und Mythen

Dass die Brennessel hierzulande nicht den beste Ruf hat, weiß der Künstler nur zu gut: „Es gibt da viel Skepsis, Widerstände und Mythen“, erzählt er über die Reaktionen, die er oft auf seine Brennessel-Fürsprache erntet. Dass sich fast jeder schon mal daran verbrannt habe, berge allerdings auch Gutes: „Jedes Kind kennt diese Pflanze durch die evidente Erfahrung: Die darfst Du nicht anfassen!“, meint er.

Faser-Brennessel, die sich für Textilgarne eignet. Foto: Heiko Weckbrodt Foto: Heiko Weckbrodt

Faser-Brennessel, die sich für Textilgarne eignet. Foto: Heiko Weckbrodt Foto: Heiko Weckbrodt

Im I. Weltkrieg gab es Uniformen aus Nesseltuch

Weil selbst kommt aus dem ländlichen Raum, kennt die Abneigung gegen die Brennessel unter Kindern, Gärtnern, aber auch vielen Bauern wie auch Städtern aus eigener Anschauung: 1991 in der brandenburgischen Kleinstadt Wriezen geboren, studierte er Design und bildende Kunst in Wuppertal, Dresden und Hamburg. In der Hafenstadt war er auch Gästeführer bei Stad-Spaziergängen und war von der omnipräsenten Brennessel – die wegen ihrer Stickstoff-Gier übrigens gerne überall dort wächst, wo Mensch und Hund urinieren – fasziniert. Er begann aus den Faser-Varianten eigene Textilien zu klöppeln, beispielsweise eben eine Unterhose. Auch recherchierte er die Kulturgeschichte dieser Pflanze und die langen Traditionen als „wilde Nutzpflanze“. So entdeckte er beispielsweise im Dresdner Kügelgen-Haus eine Spitzendecke und einen Spitzenkragen, den eine adlige Dame wohl Ende des 19. Jahrhunderts als handwerkliche Stücke angefertigt hatte – die Fasern dafür hatte sie wohl aus dem Baltikum bekommen. Aber auch während des I. Weltkriegs erlebte die Brennessel eine kleine Renaissance, als aus ihr Uniformen gemacht wurden. Insbesondere in Hungerjahren galt die Pflanze auch als vitaminreiche Zutat für Suppen und Salate. Und vielleicht sei eben dies auch mit schuld am Imageproblem der Brennessel, meint Patrick Will: „Ihre Nutzung hatte oft mit Kriegen und Krisen zu tun.“

Aus Nesselgarn lassen sich Textilien klöppeln. Foto: Heiko Weckbrodt

Aus Nesselgarn lassen sich Textilien klöppeln. Foto: Heiko Weckbrodt

Systematischer Anbau von Faser-Brennesseln in Frankenberg geplant

Dies will er zusammen mit weiteren Nessel-Freunden aber nun ändern: Gemeinsam mit Biolandwirten möchte er auf einem Acker im sächsischen Frankenberg rund 800 Faser-Brennnesseln anbauen, um später daraus Nesseltücher und Brennessel-Unterhosen zu machen. Ein Ziel dabei sei es, „den textilen Faseranbau in der Region zu etablieren“, berichtet das Kunsthaus Dresden. Bis die Nesselbauern diese Ernte einfahren, zeigt Patrick Weil nun aber erst einmal in der Striesener „Flora I“ an der Bergmannstraße, in einer Videodokumentation, auf Bild- und Texttafeln wie auch anhand von Nessel-Textilien, welches Potenzial in der vielgeschmähten Brennessel steckt. Womöglich bedürfe es einfach eines langen Atems, meint Weil: „Beim Hanf hat es auch Jahre gebraucht.“

Solche Ausstellungen haben im Übrigen in der Kleingartensparte bereits Tradition: Die Gärtner haben eine ganze Parzelle mitsamt einem Pavillon für wechselnde Kunst- und Technikausstellungen reserviert. Dazu gehörten Expositionen über Pflanzenkohle ebenso wie Risografien oder ein Archiv der alten Kulturen.

Kurzüberblick

  • Ausstellungstitel: „Urtica D.“
  • Künstler: Patrick Will
  • Ort: Sonderparzelle 3 in der „Flora I“ an der Bergmannstraße 39 in Dresden-Striesen
  • Eintritt: gratis
  • Öffnungszeiten: Die Ausstellung ist täglich geöffnet und dauert bis zum 25. August 2024
  • Infos zum „Unkräuter-Zenrum“ und zur Brennessel von Patrick Will hier im Netz
  • Mehr Infos zur Ausstellung hier auf der Kunsthaus-Seite

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Besuch, Auskünfte Patrick Will, Städtische Museen Dresden, Oiger-Archiv

Grafik: M. Arndt
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